Zustand der Gewässer in Berlin

Auszug aus dem Gewässergüteatlas der Bundesrepublik Deuschland 1/96 mit Zustimmung der Herausgeber Landesarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA ) und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie, Berlin


Die Darstellung der Gewässergüte in dem Gewässergüteatlas gibt den Zustand anhand des biologischen Besiedlungsbildes wieder. Sie ist das Ergebnis biologisch-ökologischer Bestandsaufnahmen mit dem Saprobiensystem als Grundlage; hierbei werden wirbellose Tiere (Makrozoobenthon) sowie die Mikrofauna erfaßt (DIN 38410).

Der Gewässergütekarte ist zu entnehmen:

Die Berliner Gewässer entsprechen der Güteklasse II-III, d.h. sind kritisch belastet mit leicht abbaubaren organischen Stoffen. Der Teltowkanal und die Potsdamer Gewässer entsprechen der Güteklasse III, d.h. dort ist eine starke Verschmutzung mit leicht abbaubaren organischen Stoffen gegeben. Zusätzlich gibt es in dem Bereich Potsdam/Berlin eine deutliche Beeinträchtigung des Gewässerökosystems durch Algenmassententwicklung.

A Die Einteilung und Definition der Gewässergüteklassen des Saprobiensystems

I Unbelastet bis sehr gering belastet

Gewässerabschnitte mit reinem, stets annähernd sauerstoffgesättigtem und nährstoffarmem Wasser; geringer Bakteriengehalt; mäßig dicht besiedelt, vorwiegend mit Algen, Moos, Strudelwürmern und Insektenlarven; sofern sommerkühl, Laichgewässer für Salmoniden.

I-II Gering belastet

Gewässerabschnitte mit geringer anorganischer Nährstoffzufuhr und organischer Belastung ohne nennenswerte Sauerstoffzehrung; dicht und meist in großer Artenvielfalt besiedelt; sofern sommerkühl, Salmonidengewässer.

II Mäßig belastet

Gewässerabschnitte mit mäßiger Verunreinigung und guter Sauerstoffversorgung; sehr große Artenvielfalt und Individuendichte von Algen, Schnecken, Kleinkrebsen, Insektenlarven; Wasserpflanzenbestände können größere Flächen bedecken; artenreiche Fischgewässer.

II-III Kritisch belastet

Gewässerabschnitte, deren Belastung mit organischen, sauerstoffzehrenden Stoffen einen kritischen Zustand bewirkt; Fischsterben infolge Sauerstoffmangels möglich; Rückgang der Artenzahl bei Makroorganismen; gewisse Arten neigen zu Massenentwicklung; fädige Algen bilden häufig größere flächendeckende Bestände.

III Stark verschmutzt

Gewässerabschnitte mit starker organischer, sauerstoffzehrender Verschmutzung und meist niedrigem Sauerstoffgehalt; örtlich Faulschlammablagerungen; Kolonien von fadenförmigen Abwasserbakterien und festsitzenden Wimpertieren übertreffen das Vorkommen von Algen und höheren Pflanzen; nur wenige, gegen Sauerstoffmangel unempfindliche tierische Makroorganismen wie Egel und Wasserasseln kommen bisweilen massenhaft vor; mit periodischem Fischsterben ist zu rechnen.

III-IV Sehr stark verschmutzt

Gewässerabschnitte mit weitgehend eingeschränkten Lebensbedingungen durch sehr starke Verschmutzung mit organischen, sauerstoffzehrenden Stoffen, oft durch toxische Einflüsse verstärkt; zeitweilig totaler Sauerstoffschwund; Trübung durch Abwasserschwebstoffe; ausgedehnte Faulschlammablagerungen; durch Wimpertierchen, rote Zuckmückenlarven oder Schlammröhrenwürmer dicht besiedelt; Rückgang fadenförmiger Abwasserbakterien; Fische nicht auf Dauer und nur ausnahmsweise anzutreffen.

IV Übermäßig verschmutzt

Gewässerabschnitte mit übermäßiger Verschmutzung durch organische sauerstoffzehrende Abwässer; Fäulnisprozesse herrschen vor; Sauerstoff über lange Zeit in sehr niedrigen Konzentrationen vorhanden oder gänzlich fehlend; Besiedlung vorwiegend durch Bakterien, Geißeltierchen und freilebende Wimpertierchen; Fische fehlen; bei starker toxischer Belastung biologische Verödung.

B Ergänzungen zu den relevanten Güteklassen II, II-III und III

Güteklasse II: Mäßig belastet

Hierzu gehören Gewässerstrecken mit mäßiger Verunreinigung durch organische Stoffe und deren Abbauprodukte, aber auch die Unterläufe der großen Flüsse und die von Natur aus nährstoffreichen, langsam fließenden und sommerwarmen Bäche des Flachlandes. Der Gewässergrund ist in den gebirgigen Regionen steinig bis kiesig, allerdings kann es stellenweise zu Ablagerung von organischen Feinsedimenten oder schwarzfleckigen Steinunterseiten kommen. In den Bächen und Flüssen des Flachlandes finden sich vorwiegend sandig-kiesige Sedimente, größere Steine sind im Gegensatz zu den meisten Mittelgebirgsbächen selten. Stellenweise werden feine organische Sedimente abgelagert. Entsprechend gering ist in diesen Gewässertypen die Besiedlung durch strömungsangepaßte Steinbewohner in der Tierlebensgemeinschaft ausgebildet. Vor allem in langsam fließenden und wenig beschatteten Gewässern kommt es zu starkem Wachstum höherer Wasserpflanzen, größere Fließgewässer sind im Sommer deutlich getrübt durch Phytoplanktonentwicklungen. Dementsprechend stellt sich auch der Sauerstoffhaushalt dar. Während Fließgewässer der Berg- und Hügellandregionen dauerhaft leichte Sauerstoffdefizite aufweisen können -ohne jedoch fischkritische Werte zu unterschreiten- sind in den Flachlandgewässern deutliche Tagesgänge mit Sauerstoffübersättigungen in den Nachmittagsstunden und Sauerstoffdefiziten gegen Morgen typisch. Ammoniumstickstoffkonzentrationen liegen meist unter 0,5 mg/l Ammoniumstickstoff. Der boichemische Sauerstoffbedarf in 5 Tagen liegt meist unter 5 mg/l, nur in phytoplanktonreichen Gewässern werden höhere Werte gemessen. Die Biozönosen des Makrozoobenthon sind recht artenreich, die Biomasse ist groß. Mit zunehmenden Anteil an organischen Sedimenten nimmt der Anteil der Schlammbewohner merklich zu, zudem führt die steigende organische Drift zu einer starken Präsenz der filtrierenden Formen. Typische Indikatoren sind in den Berglandbächen die Mützenschnecke Ancylus fluviatilis, die Eintagsfliegen Ephemerelle ignita, Heptagenia flava und Heptagenia sulphurea. Sichere Indikatoren sind auch die Köcherfliegen Brachycentrus subnubilus, Anabolia nervosa, Rhyacophila spp., Polycentropus spp. und Geora pilosa. In den größeren, planktonreichen Fließgewässern finden sich auf Hartsubstrat filtrierende Lebensformtypen, z.B. die Süßwasserschwämme Ephydatia fluviatilis oder Spongilla lacustris oder die Moostierchen der Gattung Plumatella sowie Großmuscheln der Gattung Unio in Feinsedimenten. Innerhalb seines Verbreitungsgebietes ist der Flohkrebs Gammarus roeseli häufig zu finden, daneben Eintagsfliegen aus der Familie der Baetidae und Pothmanthus luteus. In Pflanzenreichen Abschnitten gehören Libellenlarven der Gattungen Calypteryx, Lestes viridis oder Phyrrhosoma nymphula zur typischen Makrofauna Auch unter den Körperfliegenlarven dieser Gewässer dominieren filtrierende Arten wie Cheumatopsyche lepida, Ecnomus tenellus oderPsychomyia pusilla. Daneben kommen typische Weidegänger wie die Schnecken Viviparus viviparus und Theodoxus fluviatilis, in größeren Gewässern Bathyomphalus contortus und in kleineren Gewässern Valvata piscinalis häufig vor. Die Gewässer weisen in der Regel gute Fischbestände auf, je nach Region und Gewässergröße gehören sie zur unteren Salmoniden- oder Cyprinidenregion. Der Saprobien-Index liegt im Bereich von 1,8 bis unter 2,3. Gewässergüte II ist in vielen Bundesländern politisches Ziel des Gewässerschutzes. Aus ökölogischer Sicht weist diese Güteklasse jedoch in Gebirgsbächen nocht nicht die gewässertypische Artenzusammensetzung auf.

Güteklasse II-III: Kritisch belastet

Die Gewässer dieser Güteklasse sind durch die Wirkung abbaubarer organischer Stoffe merklich verändert. In den schneller fließenden Gewässern sind die Steinunterseiten schwarz oder schwarzfleckig durch Bildung von schwarzem Eisensulfid (FeS). Schlammablagerungen sind häufig nur oberflächlich oxidiert. Darunter befinden sich meist tiefgründige, schwarzgefärbte Faulschlammsedimente. Sind dichte Pflanzenbestände vorhanden, vor allem in langsam fließenden Gewässern, so haben sich Trübstoffe angelagert. Das Wasser ist entweder durch Bakterien oder organische Substanz getrübt. oder es macht sich eine deutliche Vegetationsfärbung durch planktische Algen bemerkbar. Die Sauerstoffsättigung ist entweder dauerhaft im Bereich merklicher Defizite ( bis 50% Sättigung ) oder wird während der Vegetationsperiode durch starke Schwankungen im Tagesgang gekennzeichnet, wobei die Minima in den frühen Morgenstunden nur wenige mg/l Sauerstoff betragen. Der Biochemische Sauerstoffbedarf (BSB5) liegt über 5 mg/l Sauerstoff, die Ammoniumstickstoffkonzentrationen erreichen oft 1 mg/l Ammoniumstickstoff. Die Tierbesiedlung zeigt schon merkliche Defizite in der Artenzusammensetzung. Neben den Steinfliegenlarven fehlen auch die Eintags- und Köcherfliegenlarven bis auf wenige Ausnahmen. Dagegen kommt es bei einigen Arten zu sehr hohen Populationsdichten, vor allem bei Filtrierern und Detritusfressern. Typische Indikatoren sind in schneller fließenden Gewässern neben dem Strudelwurm Planaria torva die Schnecken Bithynia tentaculata und Physa fontinalis sowie Egel Erprodelle octoculata und Glossiphonia heteroclita. Sehr häufig findet man die Wasserassel Asellus aquaticus, teilweise sind Kolonien von Ciliaten meist mit der Gattung Stentor sp. schon mit bloßem Auge zu erkennen. In langsam fließenden oder stauregulierten Gewässern bestimmt in den Sommermonaten die autotrophe Produktion auch das Nahrungsangebot. So finden sich dann neben den o.g. Indikatoren vermehrt Filtrierer wie das Moostierchen Plumatelle fungosa, in Pflanzenbeständen die Schnecken Radix ovata und Potamopyrgus antipodarum, die Wenigborster Stylaria lacustris, Nais elinguis, auf schlammigen Sedimenten auch Aelosoma spec. Weit verbreitet sind weiterhin der Egel Helobdelle stagnalis und die Kugelmuschel Sphaerium corneum. Die Fischbestände setzen sich überwiegend aus Cypriniden zusammen, die anaeroben Sedimente können die Vermehrung von Bodenlaichern unterbinden. Der Saprobien-Index liegt im Bereich von 2,3 bis unter 2,7

Güteklasse III : Stark verschmutzt

Gewässer dieser Güteklasse sind durch intensive heterotrophe Prozesse und als deren Folge durch starke Sauerstoffdefizite geprägt. Die bakterielle Trübung des Wassers ist deutlich, Hartsubstrat ist mit dichten Bakterienbelägen überzogen, Steinunterseiten und Feinsedimente sind durch Eisensulfid schwarz verfärbt, aus Schlammablagerungen entweicht beim Aufrühren Schwefelwasserstoff. Höhere Wasserpflanzen fehlen in der Regel, Fadenalgen und Überzüge von Cyanobakterien (Blaualgen) können massenhaft auftreten. Der Sauerstoffhaushalt befindet sich dauerhaft im Defizit, die Minima liegen unter 2 mg/l, die Gehalte an organischer Substanz bedingen einen biochemischen Sauerstoffverbrauch bis zu 10 mg/l, Ammoniumstickstoffkonzentrationen von 1 mg/l werden längerfristig überschritten. In phytoplanktonreichen Gewässern wird dem Wasser durch die Photosynthese Kohlendioxid entzogen. Hierdurch steigt der pH-Wert an. Bei höheren pH-Werten bzw. Wassertemperaturen kommt es deshalb häufig zur Bildung von toxischem Ammoniak. Die Lebensbedingungen in Gewässern dieser Belastungsstufe sind soweit verschlechtert, daß nur noch wenige Makroorganismen, die die geringen Sauerstoffkonzentrationen ertragen können, in diesen Gewässern vorhanden sind und als Indikatoren genutzt werden können. Neben der Schnecke Physella acuta sind dies Chironomus thummi, Proasellus coxalis und in langsam fließenden Gewässern die Oligochaeten Lumbriculus variegatus und Pristina spec. Dagegen gibt es unter den heterotrophen Mikroorganismen, insbesondere den Flagellaten und Wimpertierchen (Ciliophora) eine ganze Reihe guter Indikatoren, die zudem noch weit verbreitet sind. Fischpopulationen können sich oft nicht dauerhaft halten, häufig fehlen die jüngeren Jahrgänge. Der Saprobien-Index liegt im Bereich von 2,7 bis unter 3,2 .

C Erläterungen zur regionalen Gewässergüte v. Havel und Spree

Auszug aus dem Teil II Abschn. 5.5

Die im gesamten Lauf rückgestaute Havel mit den zahlreichen seenartigen Erweiterungen und von ihr durchflossenen Seen erfüllt in besonderem Maße die hydrographischen Voraussetzungen für wasserblütenbildende Algenmassenentwicklungen. Aus Kläranlagen und durch flächenhaften Eintrag aus landwirtschaftlich genutzten Gebieten werden reichlich Stickstoffverbindungen und Phosphate eingetragen, die das Algenwachstum begünstigen. Dabei treten insbesondere in der Potsdamer Havel nachteilige Auswirkungen auf die Gewässergüte auf. Langanhaltende Wasserblüten führen zur Lichtabschirmung tieferer Wasserschichten, so daß die Unterwasserflora weitgehend fehlt und sich am Wasser-Sediment-Kontakt ein reduktives Milieu ausbildet. Das hat zur Folge, daß hier der durch die Phosphateliminierung in den Berliner Kläranlagen verminderte Phosphateintrag durch Freisetzung aus dem Sediment teilweise wieder ausgeglichen wird. Durch die Assimilationstätigkeit der wasserblütenbildenden Algen kommt es zu pH-Wert-Erhöhungen, in deren Folge aus den reichlich vorhandenen Ammoniumverbindungen freies Ammoniak gebildet wird, das toxisch wirkt. Auf Grund der hohen Sekundärverschmutzung mit sauerstoffzehrenden Substanzen wird dieser Havelabschnitt in die Güteklasse III (stark verschmutzt) eingestuft, während die anderen Havelabschnitte der Güteklasse II-III (kritischbelastet) zugeordnet werden. Die Gewässer im Land Berlin - wie Spree, Havel, Nebengewässer und Kanäle - weisen überwiegend einen kritischen Zustand auf. Einige Abschnitte sind auch stärker verschmutzt, vor allem der Teltowkanal. Die Wasserbeschaffenheit der Spree wie auch der Dahme wird bereits im Zufluß nach Berlin von einer erhöhten organischen Belastung und Nährstoffkonzentration geprägt, als deren Folge in der Vegetationsperiode eine starke Entwicklung von Diatomeen und Cyanophyceen - verbunden mit großen Sauerstoffschwankungen - auftritt. Besonders ausgeprägt ist diese Algenentwicklung in den Dahmeseen. Im weiteren Fließverlauf der Spree durch die Stadt wird die Wassergüte wesentlich durch die biologisch-chemisch gereinigten Abwässer zweier kommunaler Großläranlagen und die zahlreichen Regenwassereinläufe aus der Trenn- und Mischkanalisation beeinflußt. Dadurch stellt sich keine Verbesserung der Wasserqualität in der Spree bis zur Haveleinmündung hinsichtlich der Belastung mit organischen Inhaltstoffen sowie Nährstoffen ein. Der Teltowkanal wird durch die Abläufe der Großkläranlagen Waßmannsdorf, Ruhleben und Marienfelde belastet. Hinzu kommen die Regenwassereinläufe aus der Trennkanalisation im Süden der Stadt mit einer Entwässerungsfläche von über 100 Quadratkilometern. Die im Land Berlin ergriffenen Maßnahmen, wie z.B. Erweiterung des Klärwerkes Ruhleben, weitergehende Abwasserreinigung in den Klärwerken Ruhleben und Marienfelde, Bau von Mischwasser-Rückhaltebecken und Regenwasservorreinigungsanlagen, haben zu einer Stabilisierung der Verhältnisse geführt und werden langfristig eine Verbesserung der Wasserqualität bewirken. Die durchgeführten Maßnahmen in den Klärwerken führten zu einem deutlichen Absinken der Phosphatfrachten in den Berliner Gewässern. Die beiden im Land installierten Phosphateliminierungsanlagen für die Grunewaldseenkette und den Tegeler See arbeiten seit 1982 bzw. 1986 mit vollem Erfolg; die hypertrophen Zustände konnten hier in eutroph-mesotroph verbessert werden. Mit einer weiteren Verbesserung der Wassergüte im Berliner Raum ist nach Einführung der biologischen Phosphat- und Stickstoffentfernung (Nitrifikation und Denitrifikation) in den Klärwerken zu rechnen.

<<--- zurück zur Umwelt-Übersicht


Disclaimer gem. Urteil des Landgerichts Hamburg vom vom 12. Mai 1998 - 312 O 85/98 - "Haftung für Links" - und urheberrechtliche Hinweise
(Diese Seite ist für eine Auflösung von 1280x1024 optimiert)